Eine wahre Geschichte über das Schicksal vieler Minishetty Hengste, die zu groß sind für die Zucht. Sie werden auf riesigen Wiesen vermehrt und dann aussortiert zum Schlachten.
Doch manche können gerettet werden...
Es war einmal...
... ein kleines schwarz-weißes Pony. Das lebte in einer großen Herde auf einer riesigen Wiese. Im Frühjahr, als es geboren wurde, kamen noch ganz viele andere Fohlen zur Welt und so hatte es immer viele Freunde, mit denen es spielen konnte. Wenn es mal eine Frage hatte, dann konnte es zu seiner Mutter oder einem anderen erwachsenen Pferd galoppieren. Geduldig beantworteten sie seine Fragen. Und es hatte viele Fragen. Als kleines Pferd muss man nämlich viel lernen. Man muss üben, wie man Gras frisst, wie man einem anderen Pferd zeigt, dass man es mag und wie man wegläuft, wenn Gefahr droht. Schon bald kam der erste Winter und das kleine Pony lernte, was Schnee ist. „Wenn man selber nur einen halben Meter groß ist, dann ist es ganz schön schwer, darin fangen zu spielen. Aber wenn man kräftig übt, dann wird man stark und kann bald ein erwachsener Hengst werden, der mutig ist und auch Fragen der Kinderbeantwortet“, dachte das kleine Pony. Also gab sich das kleine Pony ganz viel Mühe und lernte eifrig. Bald stand Weihnachten vor der Tür. Im Familienkreis feierten alle Pferde das Fest der Liebe und freuten sich auf das nächste Jahr zusammen. Sie hatten eine schöne Zeit.
Doch dann wurde es Frühling und der Schnee fing an zu tauen. An einem sonnigen Tag kamen mehrere große Männer auf die Wiese. Das kleine Pony kannte sie noch nicht. Also lief es freudig auf sie zu. „Es ist gut, wenn du neugierig bist“, hatte seine Mutter ihm gelehrt, „dann kannst du viel entdecken!“„Hab ich dich!“ rief der große Mann und packe das kleine Pony an den Ohren. „Der Schwarz-weiße hier ist auch zu groß! Der muss auch weg!“ Der Mann zerrte das Pony hinter sich her und sperrte es in ein Gehege innerhalb der Wiese. Dem kleinen Pony taten die Ohren weh. Es verstand nicht, warum jemand so grob war. Es wollte doch nur gucken. Schon bald kamen noch ein Teil seiner Freunde in das gleiche Gehege. Da ging es dem kleinen Pony etwas besser. Da war es zumindest nicht mehr allein. Aber schon bald würde es ja wieder zu seiner Mutter können und die kann es trösten, dachte es. „Ich hole jetzt den LKW- dann bringen wir die Viecher direkt weg. Umso schneller die fort sind, desto weniger Futter müssen wir noch in die reinstopfen. Dann ist doch besser, die werden unser Futter!“, sagte der große Mann zu einem anderen und lachte.
Es fuhr ein großes Auto zu dem Gehege. So etwas hatte das kleine Pony noch nie gesehen. Das wird es seiner Mutter erzählen. Ob die sowas kennt? Die großen Männer kamen und trieben die Ponys in den LKW. Dort war es dunkel, laut und wackelte ganz doll. Das kleine Pony und seine Freunde hatten Angst. Sie riefen gemeinsam nach ihren Müttern. Aber die konnten Ihnen nicht helfen, egal wie laut sie wieherten. Ein anderes Pony sagte ganz leise zu den anderen: „Meine Mutter hat mir schonmal erzählt, dass es so etwas öfter gibt. Ich hatte mal einen Bruder, der ist auch weg gebracht worden. Meine Mutter hat ihn nie wieder gesehen. Ich habe Angst. Werden wir auch weg gebracht und müssen alle sterben?“ Das kleine Pony wollte die Frage nicht beantworten, aber tief im Inneren wusste es, dass es Recht hatte. Sie würden nie wieder kommen. Bald kamen alle in einen dunklen Stall ohne Licht. Es war eng, stickig und roch nach Angst. Es wurde Nacht, aber keiner konnte schlafen. Sie fürchteten sich zu sehr und hatten Heimweh. Morgens kamen die Männer wieder und nahmen einen Teil der Ponys mit. „Morgen dann der Rest!“, sagte einer beim Schließen der Tür. Es vergingen Stunden.
Da stand das kleine Pony nun und zitterte vor Angst. Es hatte Hunger und vermisste seine Familie. Wieder ging die Stalltür auf und es betraten Leute den Stall. Diesmal andere. Der eine war ein Mann, den es schon kannte. Aber da waren noch drei andere. Sie standen vor dem Stall und schauten auf die kleinen Wesen, wie sie da standen voller Furcht. „Wir nehmen diese“, sagte die eine Frau und zeigte mit dem Finger auf mehrere Ponys. Das kleine Pony war auch dabei. „Nein! Ich will nicht sterben! Niemand bringt mich weg! Ich brauche eine Lösung!“, dachte es. Seine Mutter hatte immer gesagt: „Wenn du ihn Gefahr kommst, dann renn so schnell du kannst! Lauf so schnell dich deine Hufe tragen können!“ Aber wohin soll man laufen, wenn man aneinandergedrängt in einem kleinen Zimmer steht? Also sprang das kleine Pony verzweifelt auf die Rücken seiner Freunde, weil das der einzige Ausweg sein konnte.
Die Leute kamen aber trotzdem zu ihm und zogen ihm ein Ding an seinen Kopf. Das kleine Pony wurde wieder eingefangen und hoffte, dass es nicht so schlimm würde, wie es es befürchtete. Sie brachten es wieder in einen Hänger und es fuhr vom Hof.
Nach einer ewig langen Zeit, wurde die Klappe des Anhängers wieder aufgemacht und die Frau kam zu dem kleinen Pony. Sie sagte: „Jetzt brauchst du keine Angst mehr zu haben. Bei uns kannst du leben.“ Das Pony verstand zwar nicht die Worte, aber es merkte, dass es was Gutes ist. Es wurde mit seinen Freunden in einen Stall gebracht. Dort hatte es Platz. Es gab frisches Wasser, duftendes Heu und ein warmes Strohbett. „Schau mal wie arm und müde sie sind“, sagte die Frau und schaute mit den anderen in den Stall. „Sie müssen jetzt erstmal schlafen und sich ausruhen. Wahrscheinlich haben sie auch Bauchschmerzen wegen der Würmer. Die Hufe sind auch ganz schlimm. Ab heute beginnt ein neues Leben und sie werden geliebt. Gut, dass wir sie gerettet haben.“ Danach verließen sie den Stall und machten das Licht aus. Das kleine Pony war erstmal beruhigt, mümmelte ein wenig Heu und schlief schon bald ein.
Zum ersten Mal im Leben hatte es einen Namen: Murphy.
Info:
Zusammen mit Murphy wurden von dem Verein Motiva Forum e.V. neun Shettyhengste aus Holland vor dem Schlachten gerettet. Sie waren zu groß für die Zucht und sollten nach Italien an den Spieß. Seit 2009 leben sie bei uns auf dem Hof. Sie erfreuen sich bester Gesundheit und sind muntere Pferde. Sie bereichern unsere Shettyherde, sind Freunde, Lehrer und auch teilweise bei uns Väter geworden. In unseren Motiva-Kursen lehren sie den Motiva-Schülern die Pferdesprache. Wer zu uns kommt, der kann sie einmal kennenlernen.