5 Verhaltensweisen für eine gelungene Kommunikation mit dem Pferd

Wenn man in die Sprache der Pferde eintaucht, dann bemerkt man schnell, wie komplex und umfassend ihr Kommunikationssystem ist. Es besteht aus über 130 Vokabeln, sozialen Regeln und Ritualen. Um als Mensch mitreden zu können, muss man all dies verstehen und sinnvoll antworten können. Als Einstieg in die Sprache der Pferde gibt es 5 Verhaltensweisen, die man im Alltag umsetzten kann. So kann man scheinbar einfache Dinge tun, die aber in der Pferdesprache wichtige Aussagen sind.

 

Schon bald wird sich die Beziehung zu deinem Pferd sichtlich verbessern und du wirst große Unterschiede im Alltag bemerken. Es wird nicht ganz leicht, am Anfang alles zu beachten aber es lohnt sich!

1. Individualbereich beachten

Die Pferdesprache besteht aus den sozialen Regeln, den Ritualen und den Vokabeln. Es gibt also bestimmte Gesetze (soziale Regeln), die durch bestimmte Handlungsweisen (Rituale) zum Ausdruck gebracht werden. Zu diesen Handlungengehören dann noch die gesprochenen Worte (Vokabeln der Pferdesprache), die den Aussagen zusätzlich Ausdruck verleihen. Wichtig ist auch der sogenannte dargestellte Raum. Das ist der Raum, der sich zwischen zwei Pferden befindet. Hierbei spielt nicht nur die Distanz eine wichtige Rolle, sondern auch die Position der Tiere zueinander.

Zu dem dargestellten Raum gehört auch der Individualbereich eines Pferdes. Dieser ist im Radius etwa so groß wie die Länge des Pferdes. Also bei einem Shetlandpony etwa ein Meter und bei einem Haflinger circa drei Meter. Eine Pferderegel besagt, dass ein ranghohes Tier einfach in den Bereich eines rangniedrigeren Tieres hineinlaufen darf. Ein rangniedriges Tier muss allerdings Abstand halten und darf nicht so dicht heran. (Bei Mutterstuten und Fohlen, sowie bei Pferden mit starken Freundschaften untereinander wird diese Regel teilweise nicht berücksichtigt).

 

Es ist wichtig, diese Pferderegel im Alltagsumgang zu kennen und umzusetzen. Wenn Sie Ihr Pferd von der Wiese holen, aus der Box oder vom Paddock, dann ist es wichtig, dass sie die letzten circa drei Meter auf das Pferd zugehen und es nicht bis auf  Tuchfühlung auf sich zukommen lassen. Damit treffen Sie zwei wertvolle Aussagen:

 

1. „Du, mein Pferd, kannst nicht meinen Individualraum unterschreiten und dir Rechte nehmen. Du kannst dich nicht durch nähern als ranghöher darstellen.“

 

2. „Ich kann in deinen Bereich gehen. Ich nehme mir den Raum und bin dadurch ranghoch.“

 

Ihr Pferd wird am Anfang verblüfft sein, weil man als Mensch oft nur Dinge tut und sich nicht darüber bewusst ist, dass in all den Taten auch Aussagen stecken. Viele Pferdebesitzer sind ganz stolz, weil sie ihr Pferdrufen können und es kommt wie FURY auf sie zu galoppiert. Das Gute ist: Sie können sich ruhig weiter daran erfreuen. Wem erweicht es nicht das Herz, wenn so ein prachtvolles Tier einem seine Zuneigung zeigt. Wichtig ist aber der Abschluss des Rufens: Wie oben bereits erklärt, darf man nicht selbst stehen bleiben und das Pferd die letzten Meter gehen lassen, sondern entweder man stoppt sein Pferd rechtzeitig, geht die letzten Meter oder beide bewegen sich aufeinander zu. So beugt man Missverständnissen vor, die einem den Alltag mit dem Pferd erleichtern.

2. Den eigenen Platz behaupten

Eine Pferderegel besagt: Ein Pferd, welches einem anderen den Platz wegnehmen kann, ist ranghöher. Pferde nehmen sich Raum, indem sie ein anderes Pferd mit einer speziellen Kopfbewegung wegschicken oder es zur Seite schieben. Dazu drücken sie mit der Brust oder der Kruppe gegen das andere Pferd. Nutzen diese freundlichen Gesten nichts, dann kann es sein, dass ein Pferd mit Beißen oder Treten versucht, sich durch Treten Raum zu schaffen. Das Pferd, das weggeschickt wird, kann dann entweder weichen und damit sagen: „Ich anerkenne deinen Rang und schaffe dir Raum“, oder es bleibt auf seiner Stelle stehen und zeigt dem ersten Pferd damit: „Ich bin ranghöher. Du kannst mich nicht wegschicken und der Platz ist meiner!“

 

Genauso, wie Pferde untereinander, sprechen sie auch uns Menschen an. Hier vergewissern sie sich auch anhand des Rituals Platz wegnehmen oder behaupten, wer ranghöher ist und somit die Entscheidungen trifft. Wenn man mit seinem Pferdunterwegs ist, es putzt oder sattelt, dann wird es, je nach Charakter des Pferdes, versuchen, einem den Platz wegzunehmen. Manche Pferde sind da sehr resolut und gehen einfach auf einen zu und rammen einen zur Seite. Andere machen das scheinbar zufällig, indem sie einen Huf nur wenige Zentimeter in die Richtung des Menschen versetzen. Beide Verhaltensweisen haben die gleiche Aussage: „Ich kann dir deinen Raum nehmen!“ Oft weicht man als Mensch einen Schritt zurück und zeigt sich defensiv. Man bestätigt dem Pferd seinen hohen Rang und zeigt gleichzeitig, dass man sehr friedlich ist und gerne seine hohe Position abgibt. Dieser Dialog zwischen Mensch und Pferd passiert ganz beiläufig beim Putzen und die meisten Menschen sind sich nicht darüber bewusst, dass überhaupt gerade etwas gesagt wird.

 

Wenn man allerdings die Kommunikation des Pferdes als solche erkennt, dann ist man schon einen großen Schritt weiter. Man weiß, worauf man achten muss. Macht das Pferd also einen oder mehrere Schritte auf einen zu oderversucht, einen mit der Hinterhand wegzuschieben, dann deutet man es nicht mehr als Unart oder ähnliches, sondern liest die Aussage. Als richtige Verhaltensweise geht man nicht rückwärts oder macht anderweitig Platz, sondern schiebt sein Pferd wieder an seine Position und kann danach zufrieden schnauben. Diese Handlung bedeutet übersetzt in die Pferdesprache: „Guck Pferd, du kannst mir den Raum nicht nehmen. Ich beanspruche den Platz für mich und bin sehr zufrieden dabei.“

Genauso passiert es beim Führen, dass man von seinem Pferd auf eine andere Spur geschoben wird. Hier antwortet man als Mensch genauso: Man schiebt sein Pferd wieder in die Position, in der man laufen wollte und teilt ihm freundlich aber konsequent mit: „Ich entscheide wohin wir gehen und lasse mir meinen Platz nicht nehmen.“

3. Nicht unter dem Hals des Pferdes herlaufen

Um beim Putzen schnell auf die andere Seiten zu kommen, gehen die meisten Reiter den kürzesten Weg: unter dem Hals des Pferdes her. Das ist scheinbar sehr praktisch und man muss auch nicht hinter der Hinterhand des Pferdes her laufen, was, je nach Charakter und Stimmung des Pferdes, nicht ungefährlich sein kann. Für Pferde ist dieser schnelle Weg aber eine Aussage, die der Pferdebesitzer ihm gerne mitteilen möchte: „Schau! Ich zeige dir, indem ich unter deine Hals herlaufe, dass ich rangniedriger bin als du, mein Pferd.“ Oft geht man beim Putzen nicht nur einmal hin und her sondern mehrfach, weil man die Bürsten öfter wechseln muss. Frohherzig zeigt man seinem Pferd immer und immer wieder die eigene Inkompetenz, ohne sich darüber bewusst zu sein. 

 

Dieses Verhalten gibt es bei Pferden nicht. Rangniedrige Tiere zollen den ranghohen Respekt, verhalten sich aber nicht devot wie ein Diener beim König. Deswegen laufen Pferde einander nicht unter dem Hals her, um ihre eigene Unterlegenheit zu präsentieren. Dennoch gibt es diese Geste in der Kommunikation der Pferde. Sie wird aber nicht vom Rangniedrigeren benutzt, sondern vom ranghöheren Tier. Pferde machen sich also nicht selber „klein“ sondern werden „klein“ gemacht. Dennoch verstehen Pferde, wenn der Mensch unter ihrem Hals herläuft, dies als Ausdruck der Unterlegenheit.

 

Wenn ein Pferd ein anderes als rangniedriger erachtet, dann hebt es den eigenen Kopf und Hals über das andere Pferd; entweder über den Hals oder über die Kruppe und Rücken des Pferdes. Hier kann das zweite Pferd wieder auf zwei Arten reagieren: Entweder es duldet es, oder es widerspricht und versucht diese Aussage zu vereiteln. So kann es den eigenen Kopf hoch nehmen, versuchen zu beißen oder auch den Hintern lupfen. All das bedeutet in Pferdesprache: „Ich akzeptiere deine Aussage nicht. Ich bin nicht dein UNTERtan.“

Um sich nicht selbst als Mensch als rangniedrig darzustellen, sollte man also nicht unter dem Hals des Pferdes her tauchen. Genauso gilt es zu vereiteln, wenn das Pferd versucht, den Hals und Kopf über einen zu heben. Hier muss man schnell sein. Wie ein Pferd beißen kann man nicht, dafür aber seinen Arm in die Luft strecken und so das Pferd blocken: „Du kannst mir meinen Rang nicht nehmen.“

4. Der Mensch berührt das Pferd zuerst

Eine weitere soziale Regel ist: Das ranghöhere Pferd darf das rangniedrigere zuerst berühren. Also muss man als Mensch auch darauf achten, sein Pferd anzufassen, bevor es einen berührt. Hat der erste Kontakt stattgefunden, dann dürfen beide in dieser Situation Körperkontakt aufnehmen, ohne dass es sich auf den Rang diesbezüglich auswirkt. Es ist also nicht süß, wenn das Pferd, sobald man in die Box kommt, einen an stupst. Ganz im Gegenteil: es zeigt einem nicht seine Zuneigung, sondern vergewissert sich, dass es selber die ranghohe Position hat. Der Mensch, der sich über diese vermeintlich freundliche Art des Pferdes freut, reagiert in der Regel mit Zuneigung dem Pferd gegenüber. Für beide Seiten ist scheinbar alles geklärt:

 

Der Mensch denkt: Mein Pferd liebt mich!

 

Das Pferd denkt: Der Mensch ist weniger kompetent als ich. Ich treffe hier alle Entscheidungen.

 

Um dieses Missverständnis gar nicht erst entstehen zu lassen, muss der Mensch die Sprache der Pferde verstehen und sich nach deren Regeln verhalten. Wenn man zu seinem Pferd geht, dann lässt man sich also nicht zur Begrüßung anstupsen oder das Pferd den Kopf an einem reiben, sondern geht entschlossen zu ihm und fasst es an. Gut ist es, dafür nicht das Maul des Pferdes zu nehmen. Hier ist es so, wie wenn zwei Menschen gleichzeitig einander die Hände zur Begrüßung hinstrecken. Es ist nicht erkennbar, wer hier die Hand des anderen genommen hat. Anders ist es, wenn einer die Hand hinhält und daraufhin der andere sie ergreift. Pferde haben keine Hände und nehmen deshalb den Kontakt mit ihrer Schnauze auf. Um eine Eindeutigkeit zu schaffen, dass man selber derjenige ist, der zuerst berührt hat, fasst man sein Pferd also, bevor es von sich aus den Körperkontakt aufnimmt, nicht an dem Kopf an, sondern an der Schulter, dem Hals oder sonsteinem anderen Körperteil.

5. Nicht Rückwärtsgehen

Bei Pferden ist rückwärtsgehen, um sich zu entfernen, eine defensive Geste. Das rangniedrigere Pferd schafft dem ranghohen Raum und zeigt so seinen Respekt und erkennt die Position des anderen Tieres an. Menschengehen oft sehr viel rückwärts, ohne zu merken, dass sie es tun. Pferde lesen die Gesten des Menschen allerdings sehr genau und übersetzen sie in ihre Sprache. Ein Mensch, der im Umgang mit dem Pferd viel rückwärtsgeht und dem Pferd so Raum gibt, wird also als defensiv und rangniedrig war genommen. Das ist allerdings nicht das Bild, was man als Pferdebesitzer oder Reitervermitteln möchte. Darum muss man darauf achten, sich immer vorwärtsgerichtet zu bewegen. Dazu gehört auch das Drehen: drehen Sie sich immer zu dem Pferd hin und nicht von ihm weg. Wenn Sie also Ihr Pferd putzen und vor seinem Bauch stehen, dann entfernen sie sich, ohne ihren Rang abzugeben, indem sie entweder die rechte oder linke Schulter nach vorne drehen und so weg gehen und nicht rechts oder links nach hinten drehen. Bei der ersten Drehung nehmen sie sich Raum, bei der zweiten schaffen sie dem Pferd Raum.

 

Bei Pferden kann Rückwärtsgehen ebenso eine offensive Geste sein. Hier geht ein Pferd rückwärts auf ein anderes zu. Es versucht so, ein anderes zu vertreiben und sich seinen Platz zu nehmen. Oft fordern die Pferde nach dem Rückwärtsgehen noch Raum durch Treten ein. Rückwärts ist also nicht nur eine Geste der rangniedrigeren Tiere, sondern auch der ranghohen.

 

Wir wollen uns unseren Pferden stets als freundlich und kompetent zeigen. Deswegen ist Rückwärtsgehen in beiden Fällen nicht geschickt: Im ersten Fall zeigt man sich als rangniedrig und im zweiten als aggressiv. Man fordert sein Pferd zum Kampf auf. Ja nach Gemüt und Stimmung des Pferdes kann es bei dem zweiten Rückwärts mit einem Angriff antworten. Es tritt, steigt oder beißt.

 

Nehmen wir uns also die Führungspersönlichkeiten der Pferde zum Vorbild und bewegen uns kompetent und friedfertig vorwärts fort.

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